Geschichte Bulgariens

Vor der Staatsgründung

Das Territorium des heutigen Bulgarien ist bereits seit der Steinzeit besiedelt. Ein bei Warna gefundener Goldschatz wird auf die Zeit zwischen 4600 v. Chr. und 4200 v. Chr. datiert und gilt damit als älteste derartige Ausgrabung weltweit. Die in der Bronzezeit hier lebenden Thraker wurden bereits von Homer erwähnt. Vom 11. bis 6. Jahrhundert v. Chr. bestand ein erstes thrakisches Staatsgebilde, welches im 7. Jh. v. Chr. seine Blüte erlebte.

Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde die Region von Rom erobert, die Thraker wurden romanisert und nach der Teilung verblieb sie im 5. Jahrhundert bei Byzanz. Nach der slawischen Besiedlung der Balkanhalbinsel ab dem 6. Jahrhundert (Landnahme der Slawen auf dem Balkan) verschmolz die verbliebene romanische und griechische Bevölkerung (siehe dazu auch den Artikel Jireček-Linie) allmählich mit den Neuankömmlingen. Übrig blieben vereinzelte Gruppen von romanischsprachigen Walachen (Rumänen im Nord-Westen und Aromunen im Süden) und Griechen (entlang der Schwarzmeerküste).

Erstes Bulgarisches Reich

Das Großbulgarische und das Donaubulgarische Reich (650-922)

In der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts kam nach dem Zerfall des Großbulgarischen Reiches ein Teil des Turkvolks der Protobulgaren in den Nordosten des heutigen Staatsgebietes. Slawen und Bulgaren verbündeten sich gegen Byzanz und bildeten unter Khan Asparuch den ersten bulgarischen Staat mit der Hauptstadt Pliska, welcher 681 von Byzanz anerkannt wurde.

Das Territorium des Reiches wurde unter Asparuchs Nachfolger Khan Terwel (700-721) beträchtlich erweitert. In dieser Zeit entwickelte sich Bulgarien zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft. Unter Khan Krum (803-814) erstreckte sich der Staat vom Reich Karls des Großen im Westen bis an die Mauern Konstantinopels im Osten. Reformen nach byzantinischem Muster stärkten die Stellung des Herrschers und beseitigten den Einfluss des konkurrierenden bulgarischen Adels (dadurch Slawisierung des Staates).

Nachdem Fürst Boris I. Michail (852-889) im Jahr 864 das Christentum zur offiziellen Religion erklärte, verschwanden nach und nach die ethnischen Unterschiede zwischen Slawen und Protobulgaren und es bildete sich eine bulgarische Nationalität heraus. Die typisch bulgarische Kirchenmusik begann sich zu entwickeln. Simeon I. (893-927) machte Weliki Preslaw zur Hauptstadt.

Am Ende des 9. Jahrhunderts entwarfen die aus Thessaloniki stammenden Brüder Kyrill und Methodius das erste slawische Alphabet (Glagolica) und übersetzten als erste das Neue Testament in eine heute Altkirchenslawisch genannte Sprache. Am Hof des Zaren entwickelte einer ihrer Schüler, Kliment von Ochrid wenige Jahre später das kyrillische Alphabet. Mit seiner Tätigkeit als Missionar und Schriftsteller leistete er einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung der slawischen Literatur. Ohrid und Pliska sowie später die neue Hauptstadt Weliki Preslaw wurden zu Zentren des Goldenen Jahrhunderts der slawischen Kultur. Unter dem Zar Samuil (976-1014) wurde Ohrid Hauptstadt des bulgarischen Samuil-Reiches.

Zweites Bulgarisches Reich

Grenzen des 2. Bulgarischen Reiches

Nach andauernden Kämpfen musste sich Bulgarien unter Zar Samuil 1014 Byzanz unter Basileios II. unterwerfen. Die Slawen des Balkan waren jedoch schon so weit entwickelt, dass sich bald Widerstand gegen die fremden Herrscher erhob. Bereits 1040 kam es unter Peter Deljan zu einem Aufstand, der unter Beteiligung der Warägergarde, in welcher der spätere norwegische König Harald Hardråde Mitglied war, niedergeschlagen wurde. Peter Deljan behauptete, Nachkomme des großen bulgarischen Zaren Samuil zu sein, der von Basileios II. 1014 besiegt worden war.

Im Gebiet zwischen Balkan und Donau waren die von den Brüdern Asen und Peter geführten Aufstände 1185-1187 erfolgreich und gipfelten 1186 in der Errichtung des zweiten bulgarischen Reiches. Das Zentrum der Bewegung war die Stadt Tarnowo, die daher die vierte Hauptstadt wurde. In den folgenden Jahrzehnten konnte Bulgarien die Schwäche des Byzantinischen Reiches ausnutzen, das nach der Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner 1204 schließlich in mehrere Teilstaaten zerfiel. Zwischen 1197 und 1207 war Kalojan, der jüngere Bruder Peters und Asens, Zar Bulgariens. Um sich byzantinischer Einflüsse entgegenzusetzen, schloss er einen Bund mit Papst Innozenz III. Bulgarien sollte zur römisch-katholischen Kirche übertreten, im Gegenzug wurde Kalojan der Titel "Rex" verliehen. Der Bund war jedoch nur von kurzer Dauer. Kalojan ist ebenfalls dafür bekannt, dass es ihm am 14. April 1205 gelang einen Teil des Kreuzritterheeres, die im Rahmen des 4. Kreuzzugs durch Bulgarien zogen, bei Adrianopel (Edirne) zu schlagen und ihren Anführer, Fürst Balduin von Flandern, gefangen zu nehmen.

Ivan Asen II. regierte von 1218-1241. Seine Herrschaft war durch eine Reihe militärischer Erfolge geprägt, in Folge derer der bulgarische Staat für eine bestimmte Zeit bis an die Ägäis und die Adria reichte. Somit stieg Bulgarien kurzzeitig zur stärksten Macht auf der Balkanhalbinsel auf. Seit der Rückeroberung Konstantinopels durch die Byzantiner (1261) kam es wieder zu verstärkten Auseinandersetzungen mit Byzanz, aber auch mit Ungarn, und seit Ende des 13. Jahrhunderts erwuchs dem Bulgarischen Reich im aufstrebenden Serbien ein ernsthafter Konkurrent an der Westgrenze. Im 14. Jahrhundert spaltete sich das Bulgarische Reich in mehrere voneinander unabhängige Staaten, die teilweise aber von Serbien abhängig wurden.

Osmanische Herrschaft

Am Ende des 14. Jahrhunderts musste sich Bulgarien dem Osmanischen Reich unterwerfen. 1393 wurde die Hauptstadt Tarnowo erobert, 1396 fiel schließlich auch der letzte Teil um Widin. Hiermit begann die 500 Jahre währende Herrschaft der Osmanen. Die frühen Jahrzehnte waren durch sporadische unorganisierte Versuche zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit gekennzeichnet, später konnte sich jedoch eine gut organisierte nationale Befreiungsbewegung entwickeln.

Nationale Wiedergeburt

Eingangs des 18. Jahrhunderts begann sich unter dem Einfluss der entstehenden bulgarischen Aufklärung ein eigenes Nationalgefühl zu entwickeln. Die 1762 von dem Mönch Paisij Hilendarski erarbeitete Slawobulgarische Geschichte gab dazu einen wichtigen Anstoß.

Diese Nationale bulgarisch Wiedergeburt führte zur Errichtung der selbständigen nationalen Kirche und zum Erstarken bulgarischer Bildung und Kultur. Bedeutende Köpfe der Befreiungsbewegung waren u.a. Wassil Lewski, Ljuben Karawelow und Christo Botew.

Drittes Bulgarisches Reich

Karte von Bulgarien - 1878 - Grenzen nach dem Frieden von San Stefano (3. März 1878) und dem Berliner Kongress (Juni 1878).



 

Der Aprilaufstand von 1876 war der erste organisierte wegweisende Versuch, Bulgarien aus der osmanischen Herrschaft zu lösen. Dessen gewaltsame Niederschlagung nahm das russische Reich als Legitimation um im Rahmen der panslawistischen Ideologie dem osmanischen Reich den Krieg zu erklären. Im Ergebnis des Russisch-Türkischen Kriegs (1877/1878) erlangte Bulgarien im Frieden von San Stefano die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich mit dem Generalgouverneur Alexander Michailowitsch Dondukow-Korsakow an der Spitze. Nach dem Berliner Kongress wurde dies teilweise revidiert. Bulgarien wurde ein autonomes, aber an das Osmanische Reich weiterhin tributpflichtiges Fürstentum. Alexander von Battenberg wurde zum Fürsten gewählt. Ostrumelien blieb zunächst osmanische Provinz.

Die erste demokratische Verfassung wurde 1879 erlassen. 1885 gelang die Vereinigung Ostrumeliens mit dem Fürstentum Bulgarien. Fürst Alexanders Nachfolger Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha setzte 1908 die formelle Unabhängigkeit Bulgariens durch und ließ sich zum Zaren krönen.

Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro schlossen sich 1912 zum Balkanbund zusammen und griffen im 1. Balkankrieg die Türkei an, um das türkische Makedonien für sich zu gewinnen. Die Türkei musste als Verlierer den Großteil ihres europäischen Gebietes abtreten. Wegen eines Streits um die Aufteilung Makedoniens begann Bulgarien, das die Hauptlast des ersten Krieges getragen hatte, 1913 den 2. Balkankrieg gegen Serbien und Griechenland. Im Frieden von Bukarest (10. August 1913) verlor Bulgarien die zuvor gewonnenen Gebiete und musste die südliche Dobrudscha an Rumänien abtreten. Makedonien kam an Serbien und Griechenland, Edirne zurück an die Türkei.

Unter der Abkehr von Russland näherte sich Bulgarien dem Deutschen Kaiserreich an und nahm an der Seite der Mittelmächte am Ersten Weltkrieg teil. Bulgarien besetzte 1916 zusammen mit Deutschland die Dobrudscha. Im Friede von Bukarest (1918) erhielt Bulgarien die Süddobrudscha zurück, sowie Teile der Norddobrudscha. Im Frieden von Neuilly (1919) musste Bulgarien seinen Zugang zum Ägäischen Meer, den Landbereich Thrakien, an Griechenland abgeben. Rumänien erhielt den südlichen Teil der Dobrudscha zurück, die Strumica und weitere kleinere Landesteile fielen an Serbien.

Der unglückliche Ausgang des Krieges veranlasste den Zaren, zugunsten seines Sohnes Boris III. zurückzutreten. Dessen Person sicherte eine gewisse Stabilität der Politik des von Unruhen, Verschwörungen, Attentaten und Ministerwechseln beunruhigten Landes. 1933 trat er auch durch eine Annäherung an Jugoslawien in die kleine Balkan-Entente ein, der Jugoslawien, Griechenland, Türkei und auch England und Frankreich in verschiedenen Büdnissen angehörten. Damit schienen Beziehungen zu den Nachbarstaaten geregelt zu sein.

Nach einem Militärputsch (1934) und der Auflösung der politischen Parteien erfolgte eine autoritäre Regierung unter Zar Boris III. Bulgarien sah sich aber 1940 sowohl durch Russland, als auch durch die Türkei bedroht. Griechenland selbst hatte Pläne, falls Bulgarien nicht auf Seiten der Griechen stünde, den Südteil zu besetzen.

Der griechische Chef des Generalstabes der Armee, General A. Papagos hatte am 13. März 1940 ein Papier erstellt, in dem er klare Ziele festhielt. In Punkt A –Bulgarien- beschrieb er, dass Bulgarien zu neutralisieren sei und hierfür besetzt werden müsse, oder es träte in ein Bündnis mit Griechenland ein. Eine Besetzung im Fall einer Neutralität oder einer Gegnerschaft sei aus verkehrstechnischen, operativen Gründen und der Einsparung von Streitkräften (Grenzsicherung) notwendig.
(Dokument, Generalstab, A.P. Geheim 115078, Athen, 13. Januar 1940, an den Ministerpräsidenten und Kriegsminister)

Derart auf dem Balkan isoliert näherte sich Bulgarien den Achsenmächten an. Durch den Vertrag von Craiova vom 7 September 1940 erhielt Bulgarien auf italienischen Druck den südlichen Teil der Dobrudscha von Rumänien zurück (im Vertrag von Neuilly-sur-Seine, 1919, an Rumänien zugeschlagen).

Am 18. November 1940 kam Zar Boris III. von Bulgarien nach Berlin. In seinem Staat überschnitten sich deutsche und sowjetische Interessen schon wegen seiner geographischen Lage. Einen Beitritt zum Dreimächtepakt hatte der König einen knappen Monat vorher abgelehnt, doch gab er später eine verklausulierte Zusage (23. November 1940). Eine offene Teilnahme an militärischen Maßnahmen gegen Griechenland wurde nicht rundweg verweigert, doch von Bedingungen abhängig gemacht: Modernisierung der bulgarischen Armee und Verschleierung bzw. Unterlassung eines Aufmarsches auf bulgarischem Boden "bis zum letzten Moment". Die Zurückhaltung Bulgariens war für Hitler deshalb noch besonders unangenehm, weil sie unmittelbar auf Jugoslawien abfärbten konnte, da nur noch Jugoslawien nicht dem Dreimächtepakt beigetreten war. Am 22.-23. Januar 1941 erfolgte eine Besprechung von Gfm. List mit seinem Chef des Generalstabes, General von Greiffenberg und der bulgarischen Generalstabsdelegation unter General Boydeff in Predeal, südwestlich von Kronstadt. Bulgarien war auf die militärische Hilfe Deutschlands angewiesen. Da man sich nicht in der Lage sah, das Land vor Angriffen von Russland, der Türkei und Griechenland zu schützen, mussten deutsche Truppen im Lande stehen und auch Luftverteidigungsaufgaben übernehmen. Erst wenn dies gewährleistet sei, sei Bulgarien bereit dem Dreimächtepakt beizutreten. Den gleichen Eindruck gewann von Richthofen am 23. Januar 1941 bei den Besprechungen mit der Führung der bulgarischen Luftwaffe. Er vertraute seinem Tagebuch an:

...fürchterliche Angst vor allem.... sie sind schrecklich arm.... versuche Mut zu machen....

Schließlich trat Bulgarien an der Seite der Achsenmächte gegen Jugoslawien und Griechenland in den 2. Weltkrieg ein und besetzte Thrakien und Mazedonien. Im Dezember 1940 erfolgte die Kriegserklärung an Großbritannien und die USA, jedoch nicht gegen die UdSSR.

17. Februar 1941: Bulgarisch-türkischer Freundschafts- und Nichtangriffspakt.

28. Februar 1941 Gegen 07.00 h erfolgte der Brückenschlag über die Donau bei Giurgiu südlich von Bukarest durch die Deutsche Armee in Rumänien. Zur gleichen Zeit überschritten bei Dobrudscha bereitgestellte deutsche Truppen die bulgarische Grenze und marschierten nach Varna. Die Sowjetunion reagierte naturgemäß heftig auf die Mitteilung, Bulgarien sei dem "Dreimächtepakt" beigetreten, und nannte die Besetzung Bulgariens eine Bedrohung der eigenen Sicherheit.

Das Königshaus und die Bevölkerung widersetzten sich zum Teil erfolgreich der Verfolgung und der Deportation der bulgarischen Juden (Holocaust).Insgesamt wurden die 48000 Juden des alt-bulgarischen Territoriums vor dem Untergang bewahrt. Die Juden der von Bulgarien wiedergewonnenen Gebiete Makedoniens und Thrakiens wurden dahingegen ohne größeres Zögern und unter aktiver Mithilfe des bulgarischen Innenministeriums der deutschen Vernichtungspolitik preisgegeben. Die einheimischen Faschisten (Ratnizi) waren bedeutungslos. Nach dem Tod des Zaren Boris III. 1943 bestieg der minderjährige Simeon II. den Thron, dieser wurde von einem Regentschaftsrats unter Prinz Kyril vertreten.

Volksrepublik Bulgarien

Die Sowjetunion erklärte am 5. September 1944 einseitig Bulgarien den Krieg (das Land hatte trotz des Bündnisses mit Deutschland nicht am Feldzug gegen die Sowjetunion teilgenommen und befand sich nicht im Kriegszustand mit der Sowjetunion) und besetzte darauf das Land. Bulgarien wurde unter Leitung Giorgi Dimitrows am 15. September 1946 zur Volksrepublik erklärt.

Demokratisierung

In den Jahren nach dem Sturz des kommunistischen Diktators Todor Schiwkow am 10. November 1989 lösten sich verschiedene Regierungen relativ schnell ab. Eine Ende 1994 gewählte Regierung unter der BSP, der Nachfolgerpartei der kommunistischen Partei, konnte sich bis Anfang 1997 halten.

Als die BSP als Ausweg aus der schweren wirtschaftlichen Krise Ende 1996 mit dem IWF eine Fixierung der bulgarischen Währung verhandelte, mobilisierte die konservative SDS die Massen mit dem Argument, die BSP könne diese Währungsreform nicht bewältigen. Damit erreichte sie Anfang 1997 die Auflösung des Parlaments und den Verzicht der Sozialisten auf eine Interimsregierung.

Drei Monate lang regierte die SDS zunächst interimsmäßig mit Hilfe von Dekreten und handelte in dieser Zeit die Modalitäten für eine neue Finanzpolitik aus, die die Situation im Land bis heute wesentlich bestimmt (siehe: Wirtschaft). Während sich die Stellung Bulgariens in der Weltwirtschaft unter der konservativen Regierung verbesserte, verschlechterte sich die soziale Lage der Bevölkerung.

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