Politik

1990-2001

Von 1990 an war die demokratische Oppositionsbewegung Union Demokratischer Kräfte SDS (Съюз на демократичните сили, СДС), die den friedlichen Sturz des sozialistischen Bulgariens herbeiführte, fast immer stärkste Partei. Bis 1997 regierte jedoch in mehreren Legislaturperioden die Sozialistische Partei BSP (Българска социалистическа партия, БСП) mittels Koalitionen. Die EU-Integration wurde wesentlich von einer bis 2001 konservativ geführten SDS-Regierung unter Iwan Kostow beschleunigt. Sie stellte umfängliche Kooperation mit internationalen Institutionen her, senkte die Inflation und stabilisierte die Wirtschaftslage. Der NATO- und EU-Beitritt wurden in dieser Zeit initiiert. Präsident zu dieser Zeit war der unabhängige Petar Stojanow.

Am 22. Februar 1999 legten die bulgarische und die mazedonische Regierung ihren jahrelangen Sprachenstreit bei, indem sie eine gemeinsame Erklärung unterzeichneten. Bulgarien erkannte die Eigenständigkeit der mazedonischen Sprache und Nation erstmals offiziell an, Mazedonien entsagte im Gegenzug jeglicher Einflussnahme auf die mazedonische Minderheit in Bulgarien. Der Streit hatte die bilateralen Beziehungen schwer belastet und sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern schwierig gestaltet.

2001-2005

Die Parlamentswahlen am 17. Juni 2001 gewann überraschend mit 42,7 % der Stimmen die erst kurz zuvor gegründete Nationale Bewegung Simeon II., NDSV (Национално Движение Симеон Втори, НДСВ) um den ehemaligen bulgarischen Zaren Simeon II. von Sachsen-Coburg und Gotha, der nach 55 Jahren aus dem spanischen Exil zurück gekehrt war. Wegen des stark betonten republikanischen Prinzips in der Verfassung slawisierte er seinen Namen zu Simeon Sakskoburggotski und legte monarchische Namenszusätze ab, nachdem die Wahlbehörden die Rechtsauffassung äußerten, er sei als früherer König wahlinkompatibel. Wesentlichen Anteil an dem Erfolg hatte das Versprechen, innerhalb von 800 Tagen eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards herbeizuführen. Dazu schlug er eine Erhöhung des Lohnniveaus und Steuersenkungen vor.

Im Wesentlichen jedoch behielt die amtierende Regierung den konservativen Kurs ihrer Vorgängerin bei, insbesondere die Politik der EU-Integration. 2003/2004 amtierte Bulgarien als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates und schloss sich mit Chile und Spanien demonstrativ der von den USA geführten Anti-Irak-Fraktion an, die einen gewaltsamen Regierungswechsel im Irak unterstützte. Die tendenziell US-freundliche Außenpolitik Bulgariens und der Dissens mit der reservierten deutsch-französischen Seite führten unter anderem dazu, dass auf Betreiben des Außenministers Solomon Pasi die deutschen Anti-ABC-Einheiten umgehend durch bulgarische und polnische Truppen ersetzt wurden. Historisch pikant ist dieser Umstand wegen der Beziehungen zum Irak bereits vor dem Zweiten Golfkrieg, als Bulgarien, ähnlich den USA, in dieser Zeit den Irak umfangreich mit konventionellen Waffen belieferte. Ein Teil der Lieferungen war über nicht zurückbezahlte Kredit (1,7 Mrd. US-Dollar) erfolgt. Es ist anzunehmen, dass man sich hier bei einer Kriegsbeteiligung Gegenleistungen erwartete.

In der Wirtschaft kam es aufgrund von Simeons Reformen zu weiter fortschreitendem Aufschwung, von dem allerdings eher in- und ausländische Investoren und die städtische Oberschicht als der Durchschnittsbürger profitierten. In ländlichen Gebieten herrschen oft hohe Arbeitslosigkeit (im Landesdurchschnitt etwa 14 %) und Korruption und die sehr traditionelle Landwirtschaft, die bei 26 % der Beschäftigten 13 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt, ist noch weit vom Erreichen der EU-Normen entfernt.

Parlamentswahlen 2005

Die Parlamentswahlen für die 40. Nationalversammlung fanden am 25. Juni 2005 statt. Die konservative Regierung erlitt eine Niederlage, nachdem die BSP erneut stärkste Kraft wurde. Die SDS verlor ebenfalls empfindlich nach einer Zersplitterung in mehrere kleinere Parteien, die jedoch alle im Parlament vertreten sein werden. Die Mehrheitsverhältnisse sorgten für eine langwierige und schwierige Regierungsbildung, nachdem selbst eine Koalition mit der Bewegung für Bürgerrechte und Freiheiten DPS (Движение за права и свободи, ДПС) der ethnischen Türken, die absolute Mehrheit verfehlte. Schließlich bildete Wahlsieger Sergei Stanischew (BSP) eine große Koalition mit NDSV und DSP, die über 169 von 240 Sitzen verfügt. Wesentlicher Kern der Regierungspolitik ist die Kontinuität und Fortführung der Zusammenarbeit mit der EU-Kommission am beschlossenen Beitritt.

Negativ und großenteils schockiert zeigte sich die Öffentlichkeit durch den spontanen Erfolg der Wählerinitiative Attacke (Aтaкa), die einen nationalistischen, rassistischen und EU-feindlichen Wahlkampf führte. Die Wahlbehörde musste diese zur Teilnahme an der Wahl zulassen, führt jedoch wegen der Art des Wahlkampfs mit der Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen mehrere Mitglieder der Wahlinitiative wegen des Verdachts der Förderung ethnischer Feindseligkeiten, was nach bulgarischer Gesetzgebung strafbar ist.

Präsidentschaftswahlen 2006

Im Oktober 2006 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten und vom wieder kandidierenden Amtsinhaber Georgi Parwanow als Zustimmungstest für den Beitritt zur Europäischen Union bezeichnet, der 1 Jahr zuvor vertraglich unterzeichnet wurde. Damit verknüpfte er Wahlkampf und -entscheidung mit der Regierungspolitik, obwohl dem Präsidenten eine repräsentative Rolle zukommt. Er erreichte fast 2/3 der abgegebenen Stimmen, musste jedoch wegen des strengen Wahlrechts eine Stichwahl antreten. Erforderlich ist bei der Wahl des Staatsoberhaupts eine Mindestbeteiligung von 50% der Wahlberechtigten, die nicht erreicht wurde. In der Stichwahl unter den 2 stärksten Kandidaten wurde Parwanow ohne Beteiligungs-Quorum mit 73,4% der Stimmen bestätigt.

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